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Die Frage nach Unterricht im 21. Jahrhundert ist eine didaktische – keine technische!

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Im Bildungsbereich wurde Digitalisierung "verschlafen" - so weit so bekannt...!

Diesen Blogartikel schreibe ich in Reaktion auf eine Vielzahl von Zeitungsartikeln, Beiträgen im Fernsehen und Diskussionen in Talkshows. 
Die Corona Pandemie hat deutlich gezeigt, wie sehr in den vergangenen Jahren im Bildungsbereich das Thema „Digitalisierung“ vernachlässigt wurde. So weit, so bekannt. Was viele, die direkt oder indirekt mit dem Bildungsbereich zu tun haben, schon viele Jahre wussten, wurde nun noch einmal vermehrt in den öffentlichen Diskurs gerückt. Was mich in der öffentlichen Diskussion aber stört: Dass dabei die Technik sehr stark in den Fokus gerückt wird!

Die Versäumnisse der letzten Jahre

Selbstverständlich wurde in den letzten Jahren viel verpasst. Schulen wurden nicht ausreichend mit Hardware (Laptops, Tablets, Beamer, digitalen Tafeln, … ) und Infrastruktur (eine schnelle Internetanbindung, ein gutes, stabiles WLAN, …) versorgt, SchülerInnen wurden nicht flächendeckend mit digitalen Endgeräten (Tablets oder Laptops) versorgt und die technische Ausstattung von Lehrkräften ist meist immer noch Privatsache der LehrerInnen. Dienstgeräte sind noch immer eine Ausnahme. Und auch die Software lässt vielfach zu wünschen übrig – viele Learn Management Systeme funktionieren noch nicht richtig, Videokonferenzsysteme, die genutzt werden dürfen, laufen nicht stabil und die Nutzung existierender gut funktionierender Systeme wie z.B. Microsoft Teams ist vielfach rechtlich aufgrund von Datenschutzbedenken nicht auf sichere Beine gestellt worden.

Dass diese Versäumnisse nun öffentlich sichtbar werden, ist gut, denn so besteht die Chance, dass sich in diesen Bereichen (endlich) etwas ändert! Und das ist selbstverständlich wünschenswert für alle Beteiligte!

In vielen Artikeln, TV-Beiträgen und Talkshows beschränkt sich aufgrund dieser ganz offensichtlich sichtbaren Mängel die Diskussion aber leider viel zu häufig auf die (rein) technischen Komponenten – die notwendige Didaktik wird nur selten besprochen!

Die Frage nach Unterricht im 21. Jahrhundert ist eine didaktische - keine technische!

Natürlich braucht es digitale Endgeräte, eine gute Infrastruktur und funktionierende und funktionale Software. Aber was wäre, wenn nun morgen plötzlich alle Schulen in technischen „Traumwelten“ leben würden, alle Lehrkräfte Dienstgeräte hätten, alle SchülerInnen ein Tablet hätten und das Internet zu jeder Zeit stabil und schnell wäre? Dann hätten wir eine gute Ausstattung, aber noch lange keinen guten Unterricht! Denn Technik alleine löst noch lange keine Versäumnisse bei der Unterrichtsentwicklung! Und die müssten wir dringend angehen!

Tablets machen keinen guten Unterricht!

Unterricht: Präsent in der Schule oder, wie aktuell vielfach der Fall, im Hybridunterricht oder im kompletten Distanzlernen, wird durch eine digitale Ausstattung aller Beteiligten noch lange nicht zu gutem zeitgemäßen Unterricht im 21. Jahrhundert. Denn was dazu fehlt, ist eine adäquate Didaktik und methodische Überlegungen!

Wir brauchen eine sinnvolle Didaktik - Hier können technische Hilfsmittel einen Platz haben!

Denn um es ganz bewusst etwas überspitzt zu formulieren: Unterricht wird nicht besser, wenn die SchülerInnen dem Frontal von der Lehrkraft gehaltenen Unterricht folgen und dabei auf einem Tablet Notizen machen. Und auch wenn SchülerInnen Arbeitsblätter nicht mehr auf Papier, sondern auf dem Tablet ausfüllen, bereichert das den Unterricht an sich noch nicht.

Was viel mehr diskutiert werden müsste: Unterricht als solcher muss an das 21. Jahrhundert angepasst werden, um zeitgemäß zu sein!

Zeitgemäßer Unterricht?

Was ich damit meine? (Nur ein paar für mich zentrale Punkte – ohne Anspruch auf Vollständigkeit!)

  • Individualisierung im Unterricht – „Alle machen immer das gleiche“ ist nicht mehr zeitgemäß!
  • Projektlernen – SchülerInnen lernen weniger in „Fächern“, sondern mehr an konkreten Projekten und wenden ihr Wissen so gleich an!
  • Eine neue LehrInnenrolle – LehrerInnen werden weniger „Wissensvermittler“, sondern Lernbegleiter die sinnvolles Feedback geben und mit den SchülerInnen an den Projekten arbeiten
  • Mehr Kollaboration und Kommunikation – SchülerInnen arbeiten viel mehr kollaborativ mit anderen SchülerInnen, aber auch verschiedenen ExpertInnen. 

Und die Digitalisierung?

Und wenn wir uns mehr Zeit nehmen, über eine zeitgemäße Unterrichtsgestaltung zu reden, dann werden wir an vielen Stellen bemerken, dass Tablets, Laptops, Internet, Lernplattformen, Kommunikationstools, … ihren festen Platz haben. Denn sie können sinnvolle Tools sein, um Unterricht verstärkt zu individualisieren, um Projektlernen zu organisieren, um in Gruppen zu kommunizieren und kollaborativ zu arbeiten und um als LehrerInnen gutes Feedback zu geben.

Aber dann denken wir über Unterricht im 21. Jahrhundert nach – wir überlegen, welche der aktuell vorhandenen Konzepte für den jeweiligen Einsatzort sinnvoll oder auch weniger sinnvoll sind und nicht ob wir lieber iPads oder Laptops nutzen wollen.

Dafür wird benötigt: Zeit und Fortbildung!

Was dafür notwendig wäre wären keine Hardwarelieferungen (auch wenn die natürlich auch schön sind).

Viel mehr sind zwei Dinge zentral:

  1. Zeit: Zeit um in Kollegien und über mehrere Schulen hinweg über zeitgemäßen Unterricht zu diskutieren. Hier könnten sinnvolle didaktische Konzepte erarbeitet, erprobt und evaluiert werden. Hier könnten Best Practice Beispiele vorgestellt werden und so Unterrichtsentwicklung vorangetrieben werden. Das können Aber LehrerInnen und Schulleitungen nicht „on top“!
  2. Fortbildungen: Damit das alles funktionieren kann müssen Fortbildungen in den Kollegien ermöglicht werden. Wie kann Unterricht individualisiert werden? Wie kann Projektlernen gelingen, wie können LehrerInnen den Weg zum Lernbegleiter beschreiten, wie funktioniert kollaboratives Arbeiten. Und wie können für all das technische Hilfsmittel genutzt werden?

Und das beste...?

Und das beste…? Solche Entwicklungen helfen Schule auch über die Corona Pandemie hinweg.

Also dann: Kommen wir in einen didaktisch inhaltlichen Diskurs!

Jonas

Gymnasiallehrer an einer IGS, Interesse an digitaler Unterrichtsentwicklung & Mathematikdidaktik. Vater und Hobby-Läufer